Fassadenreinigung als Businessmodell

Fassadenreinigung als Businessmodell im deutschen Markt

Die Fassade ist die Visitenkarte eines Gebäudes – sie schützt vor Witterung, trägt zur Wärmedämmung bei und entscheidet oft darüber, ob Passanten, Miet­­interessentinnen oder Investorinnen einen positiven ersten Eindruck gewinnen. Gerade in einer dicht bebauten und urbanisierten Gesellschaft wie der deutschen, in der 75 % der Bevölkerung in Städten leben, hat sich rund um die Reinigung und Instandhaltung von Gebäudehüllen ein lukrativer Markt entwickelt.

Allein das Gebäudereiniger-Handwerk erwirtschaftete 2023 knapp 26 Mrd. € Umsatz und beschäftigt fast 700 000 Menschen; Spezialdisziplinen wie die Glas- und Fassadenreinigung tragen einen hohen zweistelligen Prozentanteil dazu bei. https://housewashcompany.de/  Die demografische Entzerrung zwischen stark wachsenden Metropolregionen (Berlin, München, Frankfurt a. M.) und schrumpfenden Landkreisen führt dazu, dass gewerbliche Dienstleister ihren Leistungsradius kontinuierlich ausdehnen – ein Trend, der Unternehmensgründer*innen enorme Chancen bietet.

 

Fassadenreinigung als Businessmodell

Fassadenreinigung als Businessmodell

 

Fassadenreinigung als Businessmodell: Chancen und Risiken

Blicken wir zunächst auf die zwei wichtigsten Wachstums­treiber:

  1. Nachhaltigkeits- und Werterhalt-Druck – Fassaden aus Kalksandstein, Klinker, Glas oder Alucobond verlieren bis zu 2 % ihres Marktwertes pro Jahr, wenn sie sichtbar verwittern.
  2. Regulatorische Strenge – Arbeitsschutz- und Umweltvorschriften verschieben Projekte weg vom Selbermacher hin zu zertifizierten Fachbetrieben.

Doch jeder Vorteil hat eine Kehrseite: Wer heute als Unternehmer*in eine Fassadenreinigungsgesellschaft aufbauen will, muss nicht nur in Arbeitsbühnen, Hochdrucktechnik und Osmoseanlagen investieren, sondern auch ein belastbares Compliance-Gerüst etablieren. Die DGUV Regel 101-605 etwa weist auf besondere Absturz-, Chemikalien- und UV-Gefahren beim Arbeiten an Fassaden hin und listet eine ganze Reihe verbindlicher Rechtsquellen (TRBS 2121-1, Betriebssicherheitsverordnung, Gefahrstoffverordnung).

Ein weiteres, oft unterschätztes Risiko betrifft das Abwasser: Schon einfaches Hochdruckwasser wird nach Benutzung zu Schmutzwasser und darf nicht in Regenwasserkanäle eingeleitet werden. Städte wie Frankfurt a. M. verlangen Auffangplanen, Filtervliese und eine Einleitgenehmigung, sobald chemische Reiniger zum Einsatz kommen. Zuwiderhandlungen können Bußgelder im mittleren fünfstelligen Bereich nach sich ziehen.

 

1 | Markt- und Nachfrageanalyse

1.1 Zielgruppen

Segment Bedarfstreiber Zahlungsbereitschaft Typische Auftragsgröße
Wohnungs­wirtschaft Werterhalt, ESG-Reporting Mittel 3 000 – 15 000 €
Industrie & Logistik Corporate Identity, Staubablagerungen Hoch 8 000 – 40 000 €
Öffentliche Hand Denkmalschutz, Hygiene Hoch 5 000 – 100 000 €
Privatimmobilien Optik, Algenbewuchs Niedrig 600 – 3 000 €

1.2 Wettbewerbsstruktur

Die Branche ist atomisiert: 83 % aller Betriebe erzielen < 1 Mio. € Jahresumsatz, während 2 % der Großunternehmen mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes erwirtschaften. Damit bleibt Raum für Nischenanbieter – insbesondere dort, wo Spezialkompetenz (z. B. Naturstein­trockeneisreinigung, Seilzugangstechnik) oder Sofort-Service gefragt ist.

 

2 | Leistungsportfolio und Produktvergleiche

Reinigungsverfahren Investition Flächen­leistung Umwelt­einfluss Ideal für
Niederdruck-Dampf 6 000 – 10 000 € 20 m²/h Gering Denkmalfassaden
Heißwasser-Hochdruck 4 000 – 8 000 € 30 m²/h Mittel Klinker, Beton
Reinwasser-Teleskop 3 500 – 5 000 € 40 m²/h Sehr gering Glas, Metall
Trockeneisstrahlen 12 000 – 20 000 € 15 m²/h Gering Naturstein, Industrie
Graffitientfernung (chemisch) 2 000 – 4 000 € 10 m²/h Chemisch belastet Poröser Putz, Beton

Anbieter-Benchmark

  • Krüger CleanTech: Fokus Reinwasser, 24-h-Service
  • Algenmax: Franchise-Kette mit 21 Standorten, zusätzliche CO₂-Kompensation pro Auftrag
  • FassadenFix: Stark in Abwasseraufbereitung (Mazi-Filter), EPD-gelistet

 

3 | Unternehmensaufbau: Von der Idee zur Profitabilität

Phase To-dos Investitionsrahmen Fallstricke
Pre-Launch Businessplan, Marktanalyse, Handwerkskarte beantragen 2 000 € Zu optimistische Stundensätze
Setup Kauf HD-Gerät, Osmoseanlage, Transporter, PSA 35 000 – 60 000 € Gebrauchtgeräte ohne CE-Zertifikat
Betrieb DGUV-Unterweisungen, Abwasserlogistik, CRM einführen 1 200 €/Jahr Dokumentationslücken
Skalierung Mitarbeiter schulen, Hubarbeitsbühne leasen, SEO-Ausbau 50 000 € Cash-flow-Engpässe bei Vorkasse-Material

Kapazitätsrechnung (Beispiel)

  • Zwei-Personen-Team, 210 Arbeitstage → 1 680 Produktivstunden
  • Ø Umsatz/h = 85 € → 142 800 € Jahresumsatz
  • Material + Betriebskosten ≈ 45 %
  • EBITDA-Zielmarge: 22 % (≈ 31 400 €)

 

4 | Recht, Arbeitsschutz und Umwelt

  1. DGUV Regel 101-605: Höhensicherung, Gefahrstoffmanagement, UV-Schutz.
  2. WHG §54 & kommunale Satzungen: Schmutzwasser darf nicht in die Regenwasserkanalisation; Genehmigungs- und Anzeigepflichten ab 300 m² Fläche oder Chemieeinsatz.
  3. Gefahrstoff­verordnung: Sicherheitsdatenblätter + Ersatz­stoffprüfung für chemische Graffitientferner.
  4. DIN EN 13549: Qualitätssicherung in der Gebäudereinigung – relevant für Ausschreibungen.

Praxis-Hack: Viele Kommunen akzeptieren HD-Reinigung ohne Reinigungschemie als genehmigungsfrei, wenn Sie einen geschlossenen Wasserkreislauf mit Filtervlies nachweisen.

 

5 | Pricing, Kalkulation & Hedging

Kostenblock Anteil am Stundensatz Optimierungshebel
Lohn + Lohnneben­kosten 50 – 55 % Tarifliche Schichtmodelle, Zeiterfassung
Maschinen & Verbrauch 12 – 18 % Leasing vs. Kauf, Gebrauchtmarkt, Sammelbestellungen
Versicherung & Compliance 5 – 8 % Bündelpolicen, Berufsgenossenschaft-Rabatte
Transport & Logistik 7 – 10 % Tourenplanung, E-Transporter-Förderung
Deckungsbeitrag 20 % + Upselling (Schutzbeschichtungen), Wartungsabos

Schutz vor Preissprüngen: Diesel-Klausel in Langfristverträgen und indexorientierte Lohnanpassung sichern Marge.

 

6 | Marketing, Vertrieb und SEO-Strategie

  1. Local SEO: Standort-Seiten für Stadtteile, Schema-FAQ-Auszeichnung, Page-Speed < 2 s.
  2. Lead-Magnet: „Gratis Fassaden-Inspektion per Drohne“ – hohe Conversion im B2B-Segment.
  3. Content-Hub: Tutorials („Wie oft sollte eine Klinkerfassade gereinigt werden?“), Whitepaper „DWA-M 370 verständlich erklärt“.
  4. Reputation-Management: Mindestens 50 Google-Bewertungen > 4,7★, Case-Studies mit Fotobeweis.
  5. Partnerschaften: Architektinnen, Haus­verwaltungen, Energieberaterinnen.

 

7 | Technologie-Radar

  • Reinwasser-Robotik: KI-gesteuerte Saugnapf-Rover für Glasfassaden ≥ 50 m Höhe.
  • HydroSKIN-Fassaden: Schwammartige Hochleistungs­membran, die Regenwasser puffert und Fassaden­verschmutzung reduziert (Uni Stuttgart, 2024).
  • Predictive Maintenance via Bilderkennung: Drohnen erfassen Bewuchs, KI empfiehlt Reinigungs-Intervall – 15 % weniger Fehlfahrten.

 

8 | Nachhaltigkeit & ESG-Potenziale

  • Wasser­kreislauf-Systeme sparen bis zu 98 % Frischwasser.
  • Biologisch abbaubare Tenside reduzieren CSB-Werte im Abwasser und erleichtern Genehmigungen.
  • CO₂-Bilanz: Eine regelmäßige Fassaden­reinigung verlängert die Renovierungs­intervalle um bis zu 10 Jahre und spart somit bis zu 60 kg CO₂ pro m² Fassade, verglichen mit Komplettsanierungen.
  • Zertifikate: ISO 14001, EMAS, Cradle-to-Cradle Silver für Beschichtungen erhöhen Vergabe-Chancen bei öffentlichen Auftraggebern.

 

9 | Praxis-Case: Skalierung in drei Jahren

Jahr Kernmaßnahme Umsatz EBIT
2023 Gründung, 1 Team, Reinwasser 140 000 € 18 000 €
2024 HD-Gerät + Graffiti-Service 260 000 € 42 000 €
2025 Seilzugang, Drohnen­inspektion 520 000 € 110 000 €

Schlüssel zum Erfolg: Cross-Selling („Reinigung + Nano-Versiegelung“) und stundenbasierte Serviceraten statt m²-Preise.

 

FAQ – Fassadenreinigung als Geschäftsmodell

Frage Kurzantwort
Wie hoch ist der Preis pro m²? 4 – 15 €/m² – abhängig von Material, Höhe, Zugänglichkeit.
Brauche ich eine Genehmigung für Abwasser? Ja, wenn chemische Reiniger oder > 300 m² Fläche – sonst Anzeige- oder Genehmigungs­freiheit prüfen.
Welche PSA ist Pflicht? Mindestens PSA Kategorie II: Schutzbrille, Chemikalienhandschuhe, EN 358-Gurt bei Arbeiten über 2 m.haufe.de
Wie oft sollte gereinigt werden? Glas / Metall: alle 1–2 Jahre, Klinker / Naturstein: alle 3–5 Jahre; stark befahrene Lagen häufiger.
Ist Hochdruck immer erlaubt? Nein, Denkmalschutz kann Niederdruck-Dampf oder Mikrostrahltechnik vorschreiben.
Wo finde ich weitere Normen? DIN EN 13549 (Qualitäts­management), DWA-M 370 (Abwasser), DGUV Regel 101-605 (Arbeitsschutz).

 

Weiterführende Links

 

Schlussgedanke

Ob als Ein-Mann-Startup mit Teleskopstange oder als spezialisierter Mittelständler mit eigener Abwasser-Filtrationsanlage: Fassadenreinigung als Businessmodell verbindet handwerkliches Können, technisches Equipment und strenges Umwelt- sowie Arbeitsschutz-Regime zu einem robusten Dienstleistungs­paket. Wer nachvollziehbare Prozesse, ESG-Konzept und datengetriebenes Marketing kombiniert, schafft sich eine marktresistente Nische – und trifft gleichzeitig den Zeitgeist einer klima- und wertebewussten Immobilienwirtschaft.